TAGEBUCH 2025 - JANUAR - FEBRUAR - MÄRZ - April - MAI - JUNI
JANUAR
16. Wie mein Mann sagt, habe ich den Pic überschritten. Es geht aufwärts.
17. Als ALS-ler mit geschwächter Atmung, weiss man nie, wie oder ob man eine Grippe übersteht. Mir war es auch diesmal nicht immer so geheuer. Vor allem dann, wenn mir der viele Schleim die Luftzufuhr einschränkte und das Abhusten wegen der fehlenden Muskelkraft nur mässig half. An schlafen war da oft kaum zu denken. Mein Mann versorgte mich mit allen möglichen Mitteln. Das Pulver Neocitran und auch die vom Arzt verordneten Brausetabletten gegen den Husten waren mir viel zu sauer, um sie mit dem Trinkhalm Oral einzunehmen. Versuchsweise habe ich dann einen Beutel Neocitran über die PEP eingenommen. Einige Symptome, wie die Kopfschmerzen und das Fieber, wurden etwas schwächer. Aber die Schleimhäute im Mund, um den Schleim zu lösen, erreichte ich damit natürlich nicht. Also musste das gute alte Vicks auf Brust, Hals und Rücken gestrichen und Schleimlösender Sirup seine Arbeit verrichten. Als mechanisches Hilfsmittel kam auch immer wieder der Cough Assist zum Einsatz. Was ich mir aber nächstens zulegen muss, ist ein Sauger, welcher das Sekret im Mund absaugt. Ich will ja schliesslich für ein nächstes mal gewappnet sein. Zurzeit bin ich noch etwas verschleimt und Huste noch. Schlafen geht auch wieder besser. Mein Mann, mein Sohnemann, mein Assistentinnen-Team und die Spitex haben mich grossartig durch die Grippe begleitet.
Von mir aus könnte der Frühling jetzt kommen.
29. Letzte Woche habe ich mit dem Kauf von Tulpen den Frühling ins Haus geholt. Und heute könnte ich mich auf dem Balkon bereits für eine Stunde an die Sonne legen. Die wärmeren Temperaturen verdanken wir dem nahenden Föhn (Wind aus dem Süden). Auf den Bergen bläst er bereits. Ich sehe, dass er den Schnee mit einer Leichtigkeit von den Bergkämmen bläst als wäre es Mehl. Ein herrliches Schauspiel. Und dies bei strahlend blauem Himmel. So mag ich sie, unsere Jahreszeiten. Und schon bald bin ich wieder im Garten anzutreffen.
30. Ja, das stimmt, manchmal fällt es mir schwerer mit meiner Unselbständigkeit umzugehen. Das bekommt ab und zu auch mein Unterstützer-Team zu spüren. Wenn ich z. B. hin und her erklären muss, was und wie ich eine Arbeit erledigt haben möchte und es trotz meinen anstrengenden Erklärungen nicht so heraus kommt, wie ich mir das gedacht habe, dann widerspiegelt sich das auch mal in meiner Mimik. Um Verstanden zu werden ringend, kann ein Wort schon auch mal lauter ausfallen. Ich brauche so viel Kraft, um mich verbal auszudrücken. Viel Sprechen ermüdet mich und bringt mich ab und zu an den Anschlag. In so einer Situation denke ich dann; "Warum verstehst du mich denn nicht. Überleg doch mal. Ist doch alles klar" Mein Gegenüber sollte in solchen Situation wohl die Gabe haben meine Gedankengänge zu lesen. Manchmal verlange ich auch einfach zu viel von den Menschen um mich. Wohl auch von mir selbst. Es ist eben nicht so einfach zuzugeben, dass man Arbeiten auch mit Unterstützung nicht mehr erledigen kann und diese Arbeit in andere Hände geben muss. Für mein Umfeld wäre es sicher einfacher, ich wäre weniger aktiv und würde mich weniger engagieren. Würde mich der Pflege hingeben und mich betüdeln lassen. Aber wäre das noch ich?
FEBRUAR
1. Kleinigkeitskrämer (Tüpflischisser), zu denen zählt man anscheinend, wenn man Schubladen und Türchen gerne richtig zugemacht haben möchte. Oder, wenn man den Deckel einer Mineralflasche zugedreht haben möchte, bevor die ganze Kohlensäure entweichen kann. In der Zeit der Digitalisierung legt man anscheinend auch wenig Wert auf eine schöne Handschrift. Adressen auf den Kuvert sehen jedenfalls oft dementsprechend aus. Oder warum kann man den Vorhang, den man zum Fenster hinausschauen weggezogen hat, danach nicht wieder richtig zuziehen. Und, und, und so weiter. Kleinkariert bin ich aber trotzdem nicht, ich habe einfach gerne Ordnung. Bei uns gehen so viele verschiedene Angestellte ein und aus, da ist eine vorgegebene Arbeitsweise unvermeidlich. Es gäbe ein heilloses Durcheinander würde jeder die Arbeiten nach seinem Gusto verrichten. Wenn z. B. Dinge nicht an den vorgesehenen Platz verräumt würden, wäre jeder immer wieder am Suchen. Seit ich nur noch wenige Dinge selbständig verrichten kann, bin ich natürlich darauf bedacht, dass meine helfenden Hände, die zu verrichtenden Arbeiten meinen Vorstellungen entsprechend ausführen. Bei meiner undeutlichen Stimme ist es für beide Seiten nicht immer so einfach und den Kommunikator habe ich nicht immer gerade vor mir. Früher wäre ich auf so Bagatellen gar nicht eingegangen und hätte es einfach selber in Ordnung gebracht.
Ja, wie ihr lesen könnt, kann ich mich immer noch mit solchem Kleinkram befassen. Die Krankheit lässt das immer noch zu.
2. Big Daddy Wilson - Walk A Mile In My Shoes
4. Obwohl die Temperaturen trotz Sonnenschein noch immer im tiefen Bereich liegen, beschloss ich, mit meiner Assistentin an den See zu fahren. Dieses Jahr war ich noch nicht unten. So fuhren wir am Nachmittag, eingepackt in eine dicke Jacke, Kappe, Handschuhe und einer Wärmflasche unter der Beindecke zum See. Dort spazierten wir am bei strahlenden Sonnenschein am Seeufer entlang. Vorsorglich hat meine Assistentin ihre Badeutensilien eingepackt
So geschah es und meine Assistentin schlüpfte an einem passende Seegang in ihre Badekleider und lief langsam bis zum Hals im Wasser. Nach rund drei Minuten verlies sie den See wieder. Wie hält man die Kälte nur aus. Hut ab!
Was gäbe das für ein Bild, ich dick eingepackt und mit Wärmflasche und sie mit Bikini im eiskalten See.
Dieses Bild vom See mit den Vogelinseln sieht aber auch schön aus.
MÄRZ
2. Gestern Samstag war ich mittendrin im Luzerner Fasnachtstreiben.
MÄRZ
2. Gestern Samstag war ich mittendrin im Luzerner Fasnachtstreiben.
Guggenmusiken und Wagenkolonen sammeln sich auf diversen Plätzen und spielen auf. Andere ziehen durch die Gassen der Luzerner Altstadt. Im Schlepptau haben sie jeweils viele Maskeraden und Fussgänger. Die Altstadt ist so voll, dass man kaum vorwärts kommt. Für mich im Rollstuhl ist es eine echte Herausforderung mich in mitten so vieler Leute zu behaupten. Rechts und links, von vorne und hinten drängen Maskeraden, Guggen, Angeheiterte und nüchterne Fussgänger an mir vorbei. Ich denke mir, manch einer dachte im geheimen; muss die mit ihrem Rollstuhl jetzt auch da durch. Nein, ich muss nicht zwingend am Fasnachtstreiben teilnehmen, aber ich will. Laut UN-BRK habe ich als Mensch mit einer Behinderung sogar das Recht, an kulturellen öffentlichen Anlässen teilzunehmen. (Siehe Art.30, Abs.1 Teilhabe). Die Teilnahme in Luzern würde mir aber auch niemand verwehren. Zumal ich mich selbst gut wehren kann. Ich kann schliesslich nichts dafür, wenn sich die Fussgänger ihre Füsse unter meine Rollstuhlräder legen. Auf jeden Fall habe ich es genossen mittendrin zu sein. Das Getümmel gehört einfach dazu. Sollte mich das aufregen, bliebe ich wohl besser Daheim.
30. Ich werde gerade von vielen kleinen schneeweissen Blütenblättern des Weissdorns berieselt. Immer wenn ein Windstoss durch den Strauch zieht, lösen sich einige Blätter von ihrer Blüte und lassen sich vom Wind mitnehmen. Im Rasen vor mir zeigen sich viele Gänseblümchen. Sie überziehen in grossen Gruppen den frühlingsgrünen Rasen. Mittendrin reckt ein Löwenzahn Seinen Kopf in die Höhe. Es strahlt so in intensivem Gelb, als wäre er die Sonne dieses Rasens. Auch die Primeln sind schon da und sorgen für bunte Farbtupfer. Das ist aber noch nicht alles, In den Rabatten haben Hyazinthen und Osterglocken die Schneeglöckchen und Krokusse beim blühen abgelöst. Die ins Bienenhotel eingesetzten Mauerbienenkokons sind bereits geschlüpft und die Bienen sammeln in den Blumenrabatten, im Rasen und blühenden Sträuchern und Bäumen bereits Nektar. Was mich besonders freut, unsere lieben Eidechsen haben sich aus der Winterstarre gelöst und klettern auf den alten mit Moos und Flechten bewachsenen Mauern. Natürlich stehen im Garten wieder überall mit Wasser- und Steinen befüllte flache Schalen herum. Dort können sich alle die Tiere im Garten den Durst löschen.
Wie ihr merkt, hat mich die Sonne in den Garten gelockt und mich mich zum Schreiben animiert.
31. FRIDA GOLD - NEUER TAG
APRIL
1. Heute, kurz vor dem Mittagessen wurde ich zum Blumetarier. Nein, ihr wisst nicht was das ist? Dann erkläre ich mal. Wie ihr sicher schon mitbekommen habt, essen einige von uns kein Fleisch. Manchen mundet es einfach nicht oder sie essen kein Fleisch aus Respekt den Tieren gegenüber. Sie nennen wir Vegetarier. Wiederum Andere verzichten aus ethischen oder auch als ökologischen Gründen nebst Fleisch auf jeglichen verzehr von tierischen Produkten, wie Milch, Ei oder Honig. Sie nennen wir Veganer. Und da gibt es eben mich. Ich esse und trinke tierische und pflanzliche Produkte. Doch als meine heutige Assistentin mit einem Bund Schnittlauch und mit lilafarbenen Blümchen vom Garten in die Küche kam und mir sagte, das Wiesenschaumkraut kann man essen, es ist gesund, antwortete ich ihr; ich esse keine Blumen, ich schaue sie mir lieber Blumen an. Ich bin ein Blumetarier.
Die Geschichte ist nicht etwa erfunden und sie ist auch kein 1. April-Scherz. So hat es sich heute kurz vor Mittag, bei uns zu Hause in der Küche zugetragen. Naja, mit dem Namen Blumetarier habe ich bei der Assistentin schon ganz schön geflunkert. ☺️
12. Frühling im Garten
20. Wunderschöne Ostern
MAI
2. Momentan ist das Wetter ja sommerlich warm. Also beschloss ich heute Morgen ein Sommerkleid anzuziehen. Das stellte mich und meine Assistentin jedoch vor berechtigte Fragen. Ein Glück, habe ich ein knöchellanges Kleid gewählt. So war schonmal der Urinbeutel am Unterbein verdeckt und zum ablassen trotzdem zugänglich. Nur, was machen wir mit der PEG. Diese befindet sich unterhalb der Brust. Das Schläuchlein muss für die Sondennahrung und die Wasseraufnahme zugänglich sein. Um die PEG zu bedienen müsste idealerweise auf einer Seite des Kleides eine verdeckte Öffnung sein. Auf die Schnelle liess sich das jedoch nicht bewerkstelligen. Wollte ich das Kleid anziehen, musste eine Lösung her. Schlussendlich lag das Schläuchlein zwischen meinen Brüsten unter dem BH. Das Kleid hat einen weiteren Ausschnitt und so kann die PEG von oben bedient werden. Natürlich lass ich dabei nicht jede Person ran. 😉 Ist auch ein bisschen warm heute. Die ALS fordert uns immer wieder heraus.
25. Ja, die ALS ist fordernd. Jeden Tag, jede Nacht ist sie da. Sie macht keine Pausen und auch keine Ferien. Sie ist immer bei mir und begleitet mich überall hin. Als ich vor drei Wochen ins Pflegeheim Rückendwind in Bad Zurzach ging um meinem Mann eine zweiwöchige Auszeit zu gönnen, kam sie, wie könnte es anders sein, auch mit. Wenn ich noch könnte, würde ich Sie trotzdem niemandem anderem überlassen. Sie ist nämlich echt eine Herausforderung. Erst wenn man ihre dauernde Anwesenheit akzeptiert und sie mit den von ihr geforderten Spielzeug in Form von Hilfsmitteln versorgt, ist das Leben mit ihr zu händeln. Sie wird wohl so lange ich lebe bei mir bleiben und mit mir zusammen sterben.
29. Die erste Woche im Rückenwind war das Wetter draussen nass und kalt. So konnte ich nicht raus um die Gegend zu erkunden. Dafür konnte ich mehr Zeit mit andern Aufenthaltern verbringen. Als es dann in der zweiten Woche sonniger und wärmer wurde, hielt mich, ausser der Physiotherapeutin, am Nachmittagen nichts mehr im Haus. Manchmal war ich alleine unterwegs, manchmal in der Gruppe. Diese "Ausflüge" genoss ich sehr. Unten ein paar Bilder dazu. #rollstuhlhandycam
In diesen 2 Wochen durfte ich wieder einige Menschen kennenlernen. So erfuhr ich aus ihrem Leben und deren Herausforderungen. Schöne und interessante Begegnungen die mich in meinem Leben weiterbringen.
JUNI
11. Obwohl der Rauch von Kanadas Waldbrände den wolkenlosen Himmel trübte, war es mir heute dennoch zu warm, um mich im Garten aufzuhalten. So zog ich es vor, den Tag auf dem schattig-luftigen Balkon zu verbringen. Von dort habe ich einen guten Überblick. Ich sehe in den Garten und die Umgebung mit den Bergen ringsum. Am Morgen könnte ich aus Distanz zuschauen wie mein Bruder Franz ein grosses Feld zum Heuen schnitt. Jetzt, am Abend wendet er das angedörrte Grass und Luzia, seine Powerfrau, bläst die Ränder des Feldes frei. Wie gerne würde ich helfen. Das gemeinsame Heuen hat mir immer gefallen. Wir haben auch schon mal überlegt, mir einen Handrechen hinten an den Rollstuhl zu binden. Was nicht ist kann ja noch werden.
JUNI
11. Obwohl der Rauch von Kanadas Waldbrände den wolkenlosen Himmel trübte, war es mir heute dennoch zu warm, um mich im Garten aufzuhalten. So zog ich es vor, den Tag auf dem schattig-luftigen Balkon zu verbringen. Von dort habe ich einen guten Überblick. Ich sehe in den Garten und die Umgebung mit den Bergen ringsum. Am Morgen könnte ich aus Distanz zuschauen wie mein Bruder Franz ein grosses Feld zum Heuen schnitt. Jetzt, am Abend wendet er das angedörrte Grass und Luzia, seine Powerfrau, bläst die Ränder des Feldes frei. Wie gerne würde ich helfen. Das gemeinsame Heuen hat mir immer gefallen. Wir haben auch schon mal überlegt, mir einen Handrechen hinten an den Rollstuhl zu binden. Was nicht ist kann ja noch werden.