TAGEBUCH 2024 JANUAR
JANUAR
1. Ich wünsche euch einen guten Start ins Neue Jahr. Möge euch Gesundheit, Liebe und Frieden durchs Jahr begleiten.
1. Ich wünsche euch einen guten Start ins Neue Jahr. Möge euch Gesundheit, Liebe und Frieden durchs Jahr begleiten.
5. Es fällt nicht immer leicht, zur Tagesordnung überzugehen, wenn sich wieder Jemand aus dem Kreis der ALS Betroffenen verabschiedet. Es ist fast nicht zu begreifen, dass nach mehr als 150 Jahren nach dem Erstbeschrieb der Krankheit, noch kein Mittel gegen diese fortschreitende Nervenkrankheit gefunden wurde.
8. Intermezzo Carry On - J.J. Cale
9. Draussen ist aber auch eiskalt heute. 0 Grad stand auf dem Anzeigeboard im Auto. Obwohl die Strecke vom Auto in die warme Stube nur kurz ist, habe ich nun eine kalte laufende Nase. Um nicht Nasetropfend vor dem PC sitzen zu müssen, wird mir von der anwesenden Assistenzperson fortlaufend die Nase abgeputzt. Wegen meiner Muskelschwäche kann ich meine Arme nicht mehr selbst zum Kopf heben. Auch meinen Hände ist es nicht mehr möglich ein Taschentuch zu greifen. Gerade Gestern erfragte mich eine Neurologin nach der Nutzbarkeit meiner Hände und Finger. Während ich meine linke Hand nur zu leichten Hilfestellungen für die rechte Hand einsetzen kann, so kann ich mit meiner rechte Hand immer noch die PC-Maus bedienen. Es wird allerdings immer schwieriger, den Mittelfinger auf der linken Maustaste zu platzzieren. Noch herausfordernder ist es, dem kleinen Finger einen spontanen Reflex auszulösen, damit er auf die rechte Maustaste drückt. Es ist schwer und ermüdend, so zu schreiben. Ein endgültiger Wechsel zur Augensteuerung wäre daher angezeigt. Doch, soIange meine rechte Hand und die zwei Finger mitmachen, werden sie auch zum Einsatz kommen. Inzwischen habe ich Tastenkombinationen kennengelernt, welche mir in manchen Schreibsituationen, Erleichterungen bieten. Ich muss jetzt einfach gut zu den Händen und Fingern schauen. Ihnen Ruhepausen gönnen und immer wieder die Handschienen tragen. Mit dem Tragen der Handschienen, kann ich auch schmerzhaften Kontrakturen entgegenwirken.
21. Der Monat Januar steht voll im Zeichen der Einarbeitung zusätzlicher Assistenzpersonen. Dass ich die Möglichkeit zur Einarbeitung habe, ist keineswegs selbstverständlich. Es wird nämlich fortlaufend schwieriger Pflegepersonen zu finden. Diesmal habe ich 3 unterschiedlich formulierte Inserate zeitverzögert in diversen Medien geschaltet. Ich denke, nur so hat es diesmal funktioniert. So darf ich in diesem Monat mein Team um 2 Assistentinnen ergänzen. Ich hoffe, dass nach dem übernächste Woche stattfindendem Schnuppertag, noch eine weitere Assistenzperson dazu kommt. Ich kann dann nur hoffen, dass den Neuen die zu erledigende Arbeiten gefallen und sie auch nach der 3 monatigen Probezeit gerne bei mir arbeiten.
28. Das schöne Wetter mit den schon fast frühlingshaften Temperaturen hat mich diese Woche mehrmals für eine Spazierrunde aus dem Haus gelockt. Da passte es gerade, eine der neuen Assistentinnen als Begleitung mitzunehmen. So konnte ich ihr auch gleich erklären, was eine kleine, eine mittlere und eine grosse Spazierrunde ums Dorf zeitlich und fitnessmässig bedeuten. Ein Fahrrad würde jedenfalls bereitstehen.
Den Garten habe ich diese Woche auch besucht. Dabei habe ich mich gleich nach Frühlingsboten umgeschaut. Tatsächlich zwängen sich einige Frühlingsblüher bereits durch die Erdkrumen ans Licht. Die Schneeglöckchen brauchen nur noch wenig Sonne und schon öffnen sie ihre weissen Köpfchen mit den grünen Stirnbändern.
Mal schauen ob ich noch ein paar Sätze zu Blatt bringe. Es ist nämlich gar nicht mehr einfach meine Finger zu steuern. Den Fingerdruck auf die Maustaste so anzupassen, dass nicht Doppelbuchstaben geschrieben werden, ist eine echte Herausforderung. Das dauernde Korrigieren müssen ist nervig und ermüdend und raubt mir die Spontanität des Schreibens. Manchmal macht mich das schon auch traurig. Meine Aussprache unverständlich, meine Finger fast steuerlos. Wie soll ich mich an Gesprächen beteiligen. Immer mein Kommunikationsgerät mit Augensteuerung mitführen? Wer hat bei einer Diskussionen schon Lust zu warten bis ich meinen Senf mit der Augensteuerung in meinen Kommunikator eingegeben habe. So werde ich zunehmend in Gesprächen übergangen. Es wird um mich herum geredet und nicht mit mir, als hätte ich nichts zum Thema beizutragen. Dabei hätte ich noch einiges zu sagen.
Vorerst gelingt es mir ja noch, mein Tagebuch mit Wörter zu füttern.
29. Manchmal gehe ich Gesprächen aber auch von mir aus, aus dem Weg. Wenn ich alleine Unterwegs bin, meide ich Gespräche. Nicht verstanden zu werde, ist nicht so cool. Noch uncooler finde ich, fasch verstanden zu werden. Da wird meine Antwort zur Frage, wie es mir geht, aus güät ein müäs. Ein Wort, welches ich in diesem Zusammenhang nie benutzen werde. Ich muss bekanntlich gar nichts, ausser Sterben. Und das möchte ich jetzt noch nicht. Eigentlich möchte ich ohnehin hier auf unserer Erde bleiben. Ich denke, ich befinde mich bereits im Paradies.
30. Heute Morgen in der Früh, zwitscherte es vor meinem Schlafzimmerfenster. Ich habe mich so darüber gefreut. Wenn am Morgen die Vögel wieder zeitig mit ihren Konzerten anfangen, ist das für mich wie ein Neubeginn. Ein neuer Zyklus beginnt. Die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf. Die Pflanzen fangen an, sich aus der Starre zu lösen. Sie recken und strecken sich und lassen den Trieben freien Lauf. Die Sonne treibt die Knospen hervor und das Leben fängt an zu blühen.
Ist doch wunderschön. Also, warum sollte ich anderswo hingehen. Ich bleibe hier, für immer.
Heute fuhr ich mit zwei meiner Assistentinnen zum See. Dabei erhielt die sich in Einarbeitung befindende Assistentin, Einblick in meine Fahrweise und wie oder bei was ich Unterstützung benötige. Dazu gehört das Nasentröpfchen abwischen sowie das Foto knipsen, wenn ich selber nicht kann.
Am Ende der Runde wollte ich mich noch vor einem Graffiti ablichten lassen. Ich mag schön gesprayte Bilder, aber keine Schmierereien. Wenn sie wie bei diesem Graffiti, eine für mich sinnvolle Botschaft enthalten, dann sowieso. Ich konnte ja nicht ahnen, das ausgerechnet dieses Graffiti vor über 14 Jahren von meiner "neuen" Assistentin und einer ihrer Schulkolleginnen bei einem Schulprojekt gesprayt wurde. Zufälle gibt's.
FEBRUAR
Ich dachte, dass auf Grund meiner Erkrankung, ich als erste von uns 9 Geschwistern gehen müsse. Nun musste einer meiner grossen Brüdern früher gehen. Durch viele Erinnerungen wird Bruder Wisu aber trotzdem weiterhin bei uns sein. So wie auch unsere Eltern unter uns sind.
MÄRZ
Will mich mal wieder melden und sagen, dass es mir soweit gut geht. Das ist keineswegs selbstverständlich, nach 23 Jahren seit den ersten Krankheitssymptomen. Dank dem langsamen Krankheitsverlauf, habe ich mehr Zeit, mich auf die jeweiligen Verschlechterungen einzustellen und die entsprechenden Hilfsmittel zu organisieren. Nur gibt es nicht für jede Beeinträchtigung ein passendes Hilfsmittel.
12. Ich will ja weiss Gott nicht undankbar sein, aber hätte mir die Krankheit nicht wenigstens meine Stimme lassen können! Ich werde kaum noch verstanden. Dies liegt vorwiegend an der zunehmenden Kraftlosigkeit meiner Zunge. Um Buchstaben formen zu können, brauche ich eine bewegungsfreudige Zunge. Sie muss sich rollen lassen. Ansonsten wird z. B. ein R als L gehört. Das laufend wiederholen müssen ist frustrierend und macht müde. Für meine Gesprächspartner ist das ständige Nachfragen müssen, sicher auch nicht so angenehm. So beschränke ich mich bei meinen Sätzen vermehrt auf das Wesentliche. Schnörkeleien fallen immer mehr weg. Die Wärme, die Poesie verliert. Dadurch fällt das Gesagte oft härter aus. So wird aus dem Satz "Könntest du mir bitte etwas zu Trinken geben" die Kurzform "Trinken geben". Um die Worte lebendiger wirken zu lassen, ist der Einsatz der Mimik und der Augen, um so wichtiger.
Einfach ist es nicht, aber, da geh ich durch.
Will mich mal wieder melden und sagen, dass es mir soweit gut geht. Das ist keineswegs selbstverständlich, nach 23 Jahren seit den ersten Krankheitssymptomen. Dank dem langsamen Krankheitsverlauf, habe ich mehr Zeit, mich auf die jeweiligen Verschlechterungen einzustellen und die entsprechenden Hilfsmittel zu organisieren. Nur gibt es nicht für jede Beeinträchtigung ein passendes Hilfsmittel.
12. Ich will ja weiss Gott nicht undankbar sein, aber hätte mir die Krankheit nicht wenigstens meine Stimme lassen können! Ich werde kaum noch verstanden. Dies liegt vorwiegend an der zunehmenden Kraftlosigkeit meiner Zunge. Um Buchstaben formen zu können, brauche ich eine bewegungsfreudige Zunge. Sie muss sich rollen lassen. Ansonsten wird z. B. ein R als L gehört. Das laufend wiederholen müssen ist frustrierend und macht müde. Für meine Gesprächspartner ist das ständige Nachfragen müssen, sicher auch nicht so angenehm. So beschränke ich mich bei meinen Sätzen vermehrt auf das Wesentliche. Schnörkeleien fallen immer mehr weg. Die Wärme, die Poesie verliert. Dadurch fällt das Gesagte oft härter aus. So wird aus dem Satz "Könntest du mir bitte etwas zu Trinken geben" die Kurzform "Trinken geben". Um die Worte lebendiger wirken zu lassen, ist der Einsatz der Mimik und der Augen, um so wichtiger.
Einfach ist es nicht, aber, da geh ich durch.
APRIL 2024
Es ist kein 1. Aprilscherz, wenn ich sage, ich habe jetzt wieder mehr Zeit um zu schreiben. So will ich gleich mit dem Grund meiner in letzter Zeit spärlich ausgefallenen Tagebucheinträge beginnen. Wie schon geschrieben, fällt es meinen Händen und den letzten zwei steuerbaren Fingern immer schwerer, die PC- Maus zu bedienen. Mein Mann hat mir zwar einen Klickschalter zur Kniebedienung unter dem PC-Tisch montiert, was eine wesentliche Entlastung für meine geschwächten Finger ist, dies löst jedoch nur ein Teil der PC-Tastenbedienung. Jetzt gibt es bald keine Ausweichmöglichkeit mehr vor der Augensteuerung. Doch für eine Arbeit mussten meine Finger nochmal alles geben. Für die Erstellung der neuen Homepage vom Verein ALS Community Schweiz. Das ist der eigentliche Grund, weshalb ich nicht mehr Zeilen ins Tagebuch geschrieben habe. Das war jetzt aber mein allerletzter Homepageaufbau.
Wenn euch die neu erstellte Homepage ALS Community Schweiz gefällt dürft ihr dies gerne mit einer kleinen, mittleren oder auch grossen Spende bekunden. Mit eurer Spende unterstützt ihr ALS-Betroffene.
Nun heisst es ran an die Augensteuerung.
4. Wie ich das vermisst habe, mich über Stunden im Garten aufzuhalten. Heute war es endlich wieder soweit. Ohne mich in eine feste Jacke zwängen lassen zu müssen, einfach den Türöffner mit der Rollstuhlsteuerung betätigen und schon öffnet sich die Tür und ich fahre in den Garten. Jetzt wo ich ohne Jacke nach Draussen kann, bin ich wieder viel selbstständiger. Ich habe das heute so genossen. Natürlich musste ich all die Frühlingsblüher einer genauen Betrachtung unterziehen. Auch wenn es kein harter Winter war, will ich sehen, wer die Winterruhe genutzt hat, um Kräfte zu sammeln und nun den Kreislauf fortsetzt. Ich überlege gerade, wie ich mit dem Pflanzenkreislauf zurecht kommen würde. Also; mit dem Winterschlaf käme ich wohl gut zurecht. Mich ein halbes Jahr zurückzuziehen, in mich zu kehren, ich denke, das sollte mir gelingen. Aber nur, wenn ich wie eine Blume jeden Frühling neu beginnen darf. Da hätte ich wohl mehrere Leben? Dumm nur, wenn so ein Mensch vergisst, mir Wasser zu geben, wenn ich Durst habe (oh, da bin eh schon jetzt auf Menschen angewiesen), dann geh ich ein. Oder, so eine Erdmaus schleicht sich von unten an und knappert zuerst an meinen Wurzeln und aus Hauptgang ist die Zwiebel dran. Ja das kann passieren. Nicht umsonst finde ich im Garten manche Blumenzwiebeln nicht mehr. Altersschwäche kanns nicht sein, da auch Neue betroffen sind. Es gibt also keine Garantie auf ewiges Leben. So bleibe ich in meinem Kreislauf und betrachte mit Interesse und Freude das Leben von Flora und Fauna.
5. Diese wunderschönen Blüten habe ich heute in unserem Garten aufgenommen. Mit der Rollstuhlsteuerung kann ich auf dem Natel die Kamera anwählen und danach auf den Auslöser klicken. Da mein neuer Rollstuhl nun mit einem höhenverstellbaren Lift ausgestattet ist, kann ich beim Fötelen auch etwas mit den Höhen spielen. Ich liebe es, schöne Dinge festzuhalten. Ich habe zum Föteli auch gleich eine passende Aussage gefunden, der ich gerne zustimme.
14. Ich weiss nicht was ich jetzt schreiben soll? Über den gestrigen wunderschönen Frühlingstag im Garten? Wie ich mich freue, dass die Sonne auch heute wieder den Tag mit Wärme füllen wird? Oder über die Kriegstreiber, die die Schönheit dieser Welt nicht sehen und Leben nehmen? Da finde ich kaum Worte.